Als der Tod vor 5 Jahren bei mir vorbei kam und erstmal alles mitnahm außer eben mich, wusste ich nicht viel über ihn. Wie das ist, wenn man einen Menschen beim Sterben begleitet. Wie das klingt, wenn ein Arzt sagt, es ist jetzt soweit. Dass es so etwas wie ein letztes Aufbäumen, also den Todeskampf, tatsächlich gibt, bevor die Muskeln einfach nachgeben. Als verstünden sie zuerst, dass die Zeit der Anstrengung nun vorbei ist. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀
Ich wusste nicht, dass man dann Stunde um Stunde einen Kopf streichelt, dabei auf die Brust starrt. Weil die sich immer langsamer auf und ab bewegt. Mit jeder Minute ein Atemzug weniger. Ich wusste nicht, dass man anfängt Geschichten zu erzählen von einer Zukunft, die es nicht gibt und die Tränen dabei nur ganz leise laufen.
Ich konnte mir nicht vorstellen, wie man erkennt, dass ein Mensch aufhört zu sein. Ich hatte nicht geglaubt, dass man dann tut, was man in Filmen gesehen hat. Mit den Händen über die Augen fahren, vielleicht weil es die einzige Begrüßung ist, die man kennt für den Tod. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀
Ich wusste nicht, dass man, nachdem die Pflegerin „Es tut mir so leid“ gesagt hat, nach 10 Jahren einfach den Koffer packt und dann den Raum verlässt, in dem der tote Freund zurückbleibt. Mir war nicht klar, wie sich das anfühlt, wenn man jemanden überlebt. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀
Als der Tod vorbeikam hatte ich keine Ahnung, wie das geht. In seine Einzelteile zu zerfallen, um dann doch wieder, vielleicht erst so richtig, ganz zu werden. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀
Denn ich konnte auch nicht ahnen, dass der Tod irgendwann nicht mehr überschattet, was ja auch war. Das ganze Leben davor. Dass er irgendwann nicht mehr überschattet, was ja auch ist. Das ganze Leben danach. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀
Und darin liegt ja auch irgendwie ein Versprechen versteckt.