Der Wahnsinn am Krebs ist, dass alles immer plötzlich passiert. Von jetzt auf gleich. Du glaubst, das trifft maximal auf die Diagnose zu: “Es tut mir leid, es ist ein Tumor und wir können nicht operieren.” Bäm. In your face. Denkste ja nicht dran, wenn du in den 30ern steckst. 

(Ein Text, der sich inzwischen vom Krebs hat überholen lassen. Bäm. In your face.)


Eiskalt fährt es dir dann den Rücken runter und du fasst sofort den einen Plan: “Alles klar, wissen wir Bescheid, jetzt können wir uns vorbereiten. Was immer da kommt, alle Waffen liegen bereit.” Dein Plan ist, einen Plan zu haben.

Denkste dir so naiv.

So´n Krebs ist jetzt aber so ein fieses Stück Dreck, der lässt sich in keinen Plan zerlegen. Von jetzt auf gleich zieht er einen beliebigen Teil deines Körpers an den Rand des Abgrunds. Galle und Lunge, Muskeln und Masse, Haut und Haare, Magen und Darm. Der Krebs sagt, wo es mit dir lang geht. Heute so. Morgen so.

Manches sind Kleinigkeiten, mit denen man einfach umzugehen lernt. Anderes ist lebensentscheidend: Plötzlich versucht der Turmor Kontrolle zu übernehmen über wichtige Körperfunktionen. Ohne Ankündigung, einfach so, mitten in der Nacht.  “Hände hoch, das ist ein Überfall.”

Das Ding ist ein fucking Terrorist und du bist machtlos.

Das zieht dir immer und immer wieder den Boden unter den Füßen weg, kein Plan wann, kein Plan wo. Leben mit Krebs, das ist Slapsgiving IRL.

Dein Leben liegt in den willkürlichen Händen einer hässlichen Ausgeburt. Aber eben auch nicht nur da. Es liegt auch in den kontrollierten Händen der Medizin – Ärzte ey, echte cancer slayer! Was die alles können. Großartig. Bisher. Aber auch: trügerisch. Noch gibt es immer eine Antwort – und irgendwann wird diese Antwort fester Teil deines Plans.

Oder schlimmer: Sie wird dein Plan.

Denn für jedes Problem gibt es noch immer eine Pille, einen Eingriff, eine Therapie. Es ist hochgradig zweischneidig. Passt du nicht auf, verfällst du einem Irrglauben an die medizinische Zuverlässigkeit – eine Abwärtsspirale. Leben mit Krebs heißt vor allem eins: Ehrlich sein mit sich, wissen, dass morgen nicht wie heute sein muss.

Der einzige Plan, der immer aufgeht: Bei jedem neuen Angriff cool bleiben. Funktion an, Emotion aus. Das klingt furchtbar. Und ist zugleich das krasseste Feature, das der Mensch besitzt. In der Krise nur zu funktionieren, nur bis zum nächsten Ziel zu denken. Ist in uns drin. Superpower!

Der Wahnsinn am Krebs ist nämlich auch, dass der Mensch über sich hinaus wächst. Und – wie krass ist das denn bitte – echt aus Liebe. Wenn da sonst nichts Gutes drin steckt, lernst du zumindest einiges über dich. Zum Beispiel, dass das Ego dann doch nicht immer über allem steht. Weil du merkst, dass dein eigenes Leben nicht wichtiger ist als ein anderes. Und du bereit bist, dich selbst für einen anderen hinten anzustellen, wenn weil es sein muss. Das ist ziemlich krass. Kudos to self.

Nach ein paar Jahren bleibt nur noch ein Gedanke: Du brauchst gar keinen Plan, denn es ist völlig egal. Die Ärzte haben einen Plan, das Gesundheitssystem hat einen Plan, das soziale System hat einen Plan. Du brauchst keinen Plan – deine Handlungsmaxime ist nämlich intuitiv völlig klar:

Whatever the shit that’s waiting, count me in. Any-fucking-time.


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