Schreiben und sprechen sind ja zwei paar Schuhe. Es gibt Momente, da fehlen einem die Worte. (“Hallo, wie geht´s dir?”). Eigentlich gehen sie einem nur nicht über die Lippen. (“Ach, geht so.”)
Sie schwirren durch den Kopf, erst leise, Satz für Satz, dann irgendwann werden sie lauter, überschlagen sich, das Gedankenkarussell dreht sich unaufhaltsam. Die Worte bleiben stecken in der Dauerrotation.
Wie kontrolliert man, was gesagt werden will, aber nicht gesagt werden kann, wie bringt man Ordnung ins Chaos und Ruhe ins Kopfgeplärre? Und wie navigiert man durch zwischenmenschliche Gesprächs-Gepflogenheiten, die in all ihrer Alltäglichkeit plötzlich richtig tief ins Herz stechen? “Hallo, wie geht´s dir?”
Schreiben, mit jedem Anschlag ein bisschen Luft rauslassen, schnell getippt verlangsamt sich alles: Das Karussell verliert an Fahrt. Schreiben, so sagte ja schon mal irgendwann irgendwer, ist die beste Therapie.
Das Beste am Schreiben: Auf der anderen Seite steht das Lesen. Die indirekteste Form der Kommunikation – Reaktion optional! Denn wenig ist schlimmer als dieser gesellschaftliche Imperativ, auch in unschönen Gesprächen noch Antworten finden zu müssen, die man längst nicht mehr hat. Es ist diese “was-sag-ich-jetzt?-hat-mal-jemand-ein-handbuch-für-mich”-Situation, die alle irgendwann mal überfordert.
“Hallo, wie geht´s dir?” Es ist wie der Besuch im amerikanischen Supermarkt, der jeden Deutschen beim ersten Mal positiv verwirrt und spätestens am Schlechtwettertag stumm auf die Palme bringt.
“How are you today?”
Deutscher, Urlaubstag 1: “Well, thank you, I am great!” (Denkt: “Ach, wie nett, würde die Alte bei Aldi niemals fragen!”)
“How are you today?”
Deutscher, Schlechtwettertag: “Fine.” (Denkt: “Du willst wissen, wie´s mir geht. Haste schon mal rausgeguckt? Wie´s mir geht…Ich sag dir gleich, wie´s mir geht.”)
“Wie geht´s dir?” ist wirklich die schlimmste Small-Talk-Frage aller Zeiten. “Wie geht’s dir?” ist fast immer eine ungefragte Partie “Wahrheit oder Pflicht?”.
Das zu ändern hieße aber gesellschaftliche Normen über den Haufen zu werfen und soviel Revolution steckt dann auch nicht im Krebs. Und doch – the struggle is real! Wenn die Worte auf dem Karussell rotieren und ein Gespräch für beide Seiten eigentlich nur dann funktioniert, wenn mindestens zwei Wein und jede Menge Zeit im Spiel sind, muss man das Ventil eben anders öffnen, um angestaute Luft rauszulassen.
Also Schreiben. Um zu erzählen, was sich einfach schwer erzählen lässt. Um zu hören, was sich einfach schwer hören lässt. Ungestört schreiben trifft ungestört lesen.
“Hallo, wie geht´s dir?”. “Ach, geht so.”